Ein dystopisches unrealistisches Szenario für eine Netfux-Serie. 

Auch erschienen auf Philosophia Perrenis unter: https://philosophia-perennis.com/2022/03/06/die-letzten-40-tage-der-brd/

Es ist April 2024. Ein leicht kühler, regnerischer Frühlingstag. Die große kritische Abstimmung findet statt. Plenarsitzung im Berliner Reichstag. Alle sind dabei. Sogar alle Minister. Die Zuschauertribüne ist voll. Zehn Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts sind heute auch anwesend. Man redet und redet. Koalition der Willigen, Olly Schlumpf als Bundeskanzler, eine kleine Opposition hält dagegen, es geht um vieles:

Haushalt – es gibt kein Defizit mehr auf dem Papier, Gesundheit – inzwischen ist ein Fünftel der Bevölkerung an Covid gestorben, die 15. Boosterimpfung sorgt für eine weitere planmäßige Schrumpfung der Bevölkerung – „nur die harten kommen in den Garten“ ist das Motto, Lebensmittelversorgung – die Produktion von Wattwürmern für die Bevölkerung muß gesichert werden und eventuell der Import des so leckeren grünen Sojalinsenkekses – eine Neuerfindung aus den USA, Verteidigung – sollen auch über 60-Jährige Frauen zu den Waffen als Helferinnen.

Die Themen gleichen sich, die große Koalition der Nationalen Einheitsfront ist sich eh einig, denn der eurasische Block ist übermächtig gegen das transozeanische Bündnis geworden. Man ist am Rande des Eisernen Vorhangs, Polen ist übergelaufen, die Oder-Neisse-Linie ist wieder die neue alte Grenze. Frankfurt an der Oder ist die “Bastion der Freiheit”®. Man redet und redet und redet, die Einheitsfront applaudiert sich in Rage, wer beim Bundeskanzler nach 15 Minuten nicht weiter applaudiert, bekommt Streß.

Plötzlich flackert das Licht, es wird dunkel und man hört ein dumpfes Rrrrummss von außerhalb des Plenarsals – die Rolltore fallen. Die Mikrofone fallen aus. Nur noch das dämmrige Abendlicht von der Plenarsaalkuppel scheint rein, es ist ja bereits 19:30.

Nach außen scheint alles ruhig. ARD und ZDF, die über die Abstimmung berichtet haben, wissen nicht was passiert. Das Bild wird schwarz, Bildstörung. Der Korrespondent ist nicht erreichbar. Großes Rätselraten.

Klack-Klack-Klack – Aus

Der AHA-Graben und Mauer um das Reichstagsgelände, zur Abwehr von Terroristen, mißliebigen Demonstranten und anderen unerwünschten Personen steht. Bis jetzt hat man ihn nie gebraucht, denn die Opposition ist eh ruhig. Dank des AHA-Grabens man kommt nur noch an sehr kontrollierten Eingängen rein – aber auch nicht mehr raus. Doch nun sind  Bundestagsabgeordneten und die Bundesregierung eingesperrt, Fluchtwege wurden durch riesige Stahltüren blockiert, die Elektromagnete sind ausgefallen, entsprechend kann man nichts mehr aufmachen, man hörte nur noch ein großes lautes „Klack-Klack-Klack“.

Plötzlich werden auch die Eingänge der Nebengebäude in der Dorotheenstraße verbarrikadiert, und sogar die geheimen Tunnelgänge zur französischen und amerikanischen Botschaft sind abgesperrt. Die U-Bahn-Tunnel, die als Notausgang gelten sollten, sind genauso abgeschnitten. Nichts geht mehr, kein Entrinnen. Das Telefon ist tot, das Licht ausgefallen. Auch die guten Faxgeräte. Die Notstromanlage war im Wartungsbetrieb, denn der Dieselgenerator hat den Biodiesel nicht vertragen, Filter verstopft, Leitungen korrodiert.

Und so drängen sich die Abgeordneten bedrohlich oben in der Kuppel. Manchen wird schwindlig dabei, eine dickliche Frau von den Spezialdemokraten muß sich übergeben – kotzt die Brüstung runter.

Aus den Hähnen fließt kein Wasser mehr. Der Mobilfunk, anfangs noch eine Hoffnung, zeigt plötzlich keine Balken mehr. Nur ein ganz schwaches Fitzelchen Netz von O2 kommt scheinbar noch rein, oben in der Kuppel des Reichstagsgebäudes. Und so drängen sich die Abgeordneten bedrohlich oben in der Kuppel. Manchen wird schwindlig dabei, eine dickliche Frau von den Spezialdemokraten muß sich übergeben – kotzt die Brüstung runter. Doch zu früh gefreut: dieses Fitzelchen Netz – es ist eine Falle, es ist ein IMSI-Catcher, der alle Telefone danach einfach lahmlegt und mit einem Virus verseucht, die Daten abzieht.

Die Bundestagsabgeordneten, die Minister, die Mitarbeiter, insgesamt über 2000 Leute sind eingesperrt. Sie versuchen herauszukommen, die Fenster gehen nicht mehr auf, lediglich in den Garten des Reichstagsgeländes kann man noch kommen.

Abgeordnetenbüros, Dorotheenstraße

Ein paar Abgeordndete der oppositionellen Böspartei sind krankgeschieben gewesen. Es kommt ein leiser Verdacht auf. Aber mehr als die Hälfte der anderen Abgeordneten sind dennoch anwesend. Sie wissen nicht, was geschieht, und sowohl der inzwischen freischwebende ehemalige Parteichef als auch die kesse Frau mit Erstwohnsitz Schweiz – sie stehen verdutzt da und wissen nicht was sie tun sollen. Hektisches Telefonieren wird probiert – doch die Leitungen sind tot.

40 Tage ohne alles

Nach einer unruhigen Nacht – kommt von außen am Morgen eine Lautsprecherdurchsage: „Sie werden hier für vierzig Tage ohne Essen, ohne Trinken eingesperrt. Sehen Sie zu, wie Sie zurechtkommen.“

Die Büros gleichen Gefängniszellen

Nach drei Tagen ist das letzte Telefon aus, es hat eh nichts gebracht. Radio kann man nicht mehr im Reichstagsgelände empfangen. Es gibt nur noch geheime Kameras, die alles nach außen senden. Die Kameras sind im Plenarsaal, in den Räumen der Fraktionen, bei den Fraktionsvorsitzenden überall diskret verbaut. Sie haben autonome Batterieversorgung und senden auf geheimen Frequenzen. Und natürlich nehmen sie die Stimmen auf. Doch davon weiß im Inneren niemand. Man nimmt an, daß man alleine ist.

Der Schock sitzt tief. Woher soll man Hilfe holen?

Wie durch ein Wunder kann jedoch ein Funkgerät aktiviert werden, es ist das alte Funksystem der privaten Wachmannschaft, das noch mit dem analogen Feuerwehrfunk geht. Dieser Kanal ist aus irgendeinem Grund noch offen. Der Bundeskanzler entreißt ihm das Gerät, versucht nach außen zu dringen. Und oh siehe da: es meldet sich jemand. Der Bundeskanzler Olly Schlumpf fordert die Bundeswehr an. Bundeswehr meldet sich, Generalleutnant Kasaulke, Kommando Spezialkräfte.

Schlumpf bittet um Hilfe, er weist sich mittels eines besonderen Notfallcodes aus, den er vom Chef des Bundesnachrichtdienstes, der aber nicht da ist, erhalten hat: “Code Rosa Gaul, Rosa Gaul”. Kasulke sagt: “Ich weiß: Rosa Gaul und Gelbe Rüben”. Die Authentisierung stimmt, es ist wirklich Kasulke.

Schlumpf sagt: „Holen Sie Panzer, sprengen Sie das wieder auf, wir sind gefangen genommen.“

Kasulke antwortet: “Ja, davon haben wir im Radio gehört. Der RIAS Berlin hat den Sendebetrieb wieder aufgenommen. Alles andere ist auch tot.”

Schlumpf: “Ja und was ist jetzt, wann können Sie kommen?”

Kasulke: “Geht nicht, Corona. Wir haben alle Corona. Und leider keine Zeit.”
Schlumpf: “Wie Corona?”

Kasulke: “Ja, Corona, neue Variante, hat doch der Bundesminister gesagt. Die ganze Bundeswehr ist davon betroffen. Rosa Dünnschiß.”

Schlumpf: “Wollen Sie mich verarschen?”

Kasulke: “Wenn Sie’s so sagen…”

Schlumpf: “Hallo? Hallo? Ich bin der Bundeskanzler…”

Brzzz… Schweigen. Das Funkgerät macht einen letzten Kratzerer und dann ist es tot.

Bei Schlumpf macht sich Entsetzen breit. Und vor allem: Er hat brutalen Hunger. Nichts ist mehr da. Nur noch ein Schokoriegel. Und außerdem: Das Koks, es ist alle.

*

Seien Sie live dabei, wie die Politiker sich um den letzten Schokoriegel schlagen. Wer wird dieses Duell gewinnen. Karl Leisewasser, Schafsbock oder doch Olly Schlumpf?

Dr. Christoph von Gamm