Die Auswirkungen der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA (NSS, November 2025) für Deutschland
Die Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) der USA vom November 2025 markiert unter einer zweiten Trump-Administration eine drastische Abkehr von der bisherigen transatlantischen Partnerschaft und hat tiefgreifende, überwiegend herausfordernde Implikationen für Deutschland.
Die Strategie ersetzt das Prinzip der „Wertegemeinschaft“ durch eine transaktionale „America First“-Politik, die Deutschland wirtschaftlich unter Druck setzt, sicherheitspolitisch massiv fordert und ideologisch direkt angreift.
Hier sind die zentralen Auswirkungen für Deutschland:
-
Sicherheitspolitik: Der 5%-Schock für die Bundeswehr
Die wohl gravierendste Änderung ist die explizite Forderung nach einer massiven Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
* „Hague Commitment“: Die Strategie verweist auf eine „historische Verpflichtung“ der NATO-Staaten, ihre Verteidigungsausgaben von 2 % auf 5 % des BIP zu erhöhen. Für Deutschland würde dies mehr als eine Verdoppelung des Wehretrats bedeuten – eine fiskalisch und politisch kaum stemmbare Herausforderung.
* Lastenverschiebung: Die USA erklären die Zeit, in der sie die globale Ordnung stützen, für beendet. Deutschland muss primäre Verantwortung für die Verteidigung Europas übernehmen.
-
Ukraine & Russland: Konfrontation mit der deutschen Haltung
Die US-Strategie steht im direkten Widerspruch zur bisherigen deutschen Ukraine-Politik:
* Erzwungener Friede: Die USA fordern eine sofortige Beendigung der Feindseligkeiten in der Ukraine und die Wiederherstellung der „strategischen Stabilität“ mit Russland.
* Kritik an Europa: Die Administration kritisiert europäische Regierungen scharf dafür, „unrealistische Erwartungen“ an den Krieg zu haben und Friedenswünsche ihrer Bevölkerung zu unterdrücken.
* Implikation: Deutschland könnte gezwungen sein, entweder dem US-Druck für einen schnellen Deal nachzugeben oder die Unterstützung für Kiew ohne US-Hilfe fortzuführen, was militärisch kaum möglich wäre.
-
Wirtschaft & Energie: Frontalangriff auf das deutsche Modell
Die Strategie greift das deutsche Wirtschaftsmodell direkt an und benennt spezifische Schwachstellen:
* Industrie-Kritik: Das Dokument nennt explizit deutsche Chemieunternehmen als Negativbeispiel: Aufgrund fehlenden russischen Gases würden sie nun Produktionsstätten in China bauen und sich so in neue Abhängigkeiten begeben.
* Energiepolitik: Die USA lehnen „Net Zero“-Ideologien (Klimaneutralität) ab, da diese Europa „großen Schaden“ zugefügt hätten. Stattdessen sollen US-Flüssiggas (LNG) und nukleare Energie gefördert werden – Deutschland soll als Absatzmarkt dienen.
* Handelskrieg: Die USA werden Handelsbilanzüberschüsse (ein Kernmerkmal der deutschen Wirtschaft) nicht mehr tolerieren und drohen mit Zöllen gegen „merkantilistische Überkapazitäten“.
-
Ideologie & Innenpolitik: Einmischung in innere Angelegenheiten
Ungewöhnlich für ein solches Dokument ist die offene Kritik an der gesellschaftlichen Verfassung Europas und Deutschlands:
* „Zivilisatorische Auslöschung“: Die Strategie warnt vor einer „civilizational erasure“ Europas durch Massenmigration und sinkende Geburtenraten.
* Politische Unterstützung: Die USA kündigen an, den „Widerstand gegen Europas aktuellen Kurs“ zu kultivieren und „patriotische europäische Parteien“ zu unterstützen. Dies kann als direkte Unterstützung der Opposition (z.B. AfD) und als Angriff auf die etablierten Regierungsparteien („unstable minority governments“) verstanden werden.
* Kulturkampf: Es wird Kritik an „Zensur“ und „regulatorischer Erstickung“ (regulatory suffocation) durch die EU geübt.
Zusammenfassung
Für Deutschland bedeutet dieses Dokument das Ende der US-Sicherheitsgarantie zum Nulltarif. Die Bundesrepublik würde in eine Zange geraten: Einerseits fordern die USA massive Aufrüstung (5%), andererseits entziehen sie der deutschen Exportwirtschaft durch Protektionismus und Zölle die Grundlage.
Auswirkungen auf die NATO
Basierend auf der „National Security Strategy 2025“ ergeben sich für die NATO massive und transformative Auswirkungen. Die USA fordern eine radikale Neuausrichtung des Bündnisses, weg von einer US-geführten Schutzgarantie hin zu einer strikten Lastenteilung mit deutlich höheren Kosten für die europäischen Partner.
Hier sind die zentralen Punkte aus dem Dokument:
-
Drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben (5%-Ziel)
Die wohl einschneidendste Forderung ist das sogenannte „Hague Commitment“.
* Die Strategie erklärt das bisherige 2%-Ziel für obsolet und fordert von den NATO-Partnern eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
* Präsident Trump hat diesen neuen globalen Standard gesetzt, und die Strategie betont, dass die Alliierten diesen nun erfüllen „müssen“. Das Ziel ist es, das „enorme Ungleichgewicht“ auszugleichen, das über Jahrzehnte durch die höheren US-Ausgaben entstanden ist.
-
Ende der NATO-Erweiterung
Die Strategie bricht mit der Politik der „offenen Tür“:
* Ein explizites Ziel ist es, die Wahrnehmung und die Realität der NATO als ein „sich ständig erweiterndes Bündnis“ zu beenden.
* Dies deutet darauf hin, dass keine neuen Mitglieder mehr aufgenommen werden sollen, was insbesondere für die Beitrittshoffnungen der Ukraine von entscheidender Bedeutung ist.
-
Rückzug der USA aus der Rolle des „Atlas“ (Burden-Shifting)
Die USA definieren ihre Rolle im Bündnis neu:
* Das Dokument stellt klar: „Die Tage, in denen die Vereinigten Staaten wie Atlas die gesamte Weltordnung stützten, sind vorbei“.
* Die USA wollen nicht mehr die Hauptlast tragen. Stattdessen sollen reiche Verbündete (wie Deutschland) die „primäre Verantwortung“ für die Sicherheit in ihren eigenen Regionen übernehmen.
* Die USA sehen sich künftig eher als „Einberufer und Unterstützer“ eines Lastenteilungs-Netzwerks, nicht mehr als automatischer Garant für alles.
-
Zweifel an der Bündnistreue aufgrund von Migration
Das Dokument enthält eine ungewöhnlich ideologische Komponente, die das Vertrauen in bestimmte Bündnispartner in Frage stellt:
* Die Strategie prognostiziert, dass einige NATO-Mitglieder in wenigen Jahrzehnten „mehrheitlich nicht-europäisch“ sein könnten.
* Es wird offen angezweifelt, ob diese Länder dann noch ihr Bündnis mit den USA auf die gleiche Weise betrachten werden oder ob sie noch verlässliche Alliierte sein können.
* Die USA wollen daher gezielt den „Widerstand gegen Europas aktuellen Kurs“ (gemeint ist u.a. die Migrationspolitik) innerhalb der europäischen Nationen fördern.
Zusammenfassung:
Die NATO wird in dieser Strategie weniger als eine auf gemeinsamen Werten basierende Sicherheitsgemeinschaft betrachtet, sondern als ein transaktionales Instrument, bei dem die USA ihre Leistung (Schutz) strikt an die Gegenleistung der Partner (5% Ausgaben, Übernahme regionaler Verantwortung) knüpfen. Für die europäischen Partner bedeutet dies den faktischen Zwang zur militärischen Autonomie unter extremem finanziellen Druck.
