Kerzen auf der Juristentorte
Warum Meinungsdelikte die Komfortzone der Justiz sind – und echte Juristen woanders leuchten.
Meinungsdelikte haben in der Staatsanwaltschaft einen besonderen Reiz. Sie sind handlich, übersichtlich und liefern ein garantiertes Erfolgserlebnis. Ein Tweet, ein Screenshot, ein § 130 StGB – fertig ist der Tageserfolg mit moralischem Beipackzettel. Kein Tatort, keine Toten, keine komplexen Gutachten. Nur das gute Gefühl, etwas für die Demokratie getan zu haben.
Man sagt, die Staatsanwaltschaft sei die objektivste Behörde der Welt. Das mag sogar stimmen. Objektiv betrachtet landen dort jedoch selten die hellsten Kerzen auf der juristischen Torte. Die wirklich brillanten Köpfe zieht es woanders hin – dorthin, wo Denken, Abwägen und Verantwortung nicht stören, sondern verlangt werden.
Man vergleiche nur:
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Dr. Andreas Nachreiner, Notar in München, dessen Verträge präziser formuliert sind als so manches Urteil.
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Prof. Dr. Klaus Volk, Strafrechtler von Weltruf, der das Denken nicht dem Staatsanwalt überlässt, sondern zur Kunstform erhebt.
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Prof. Dr. Robert Schweizer, Medienanwalt, der mit einem einzigen Schriftsatz mehr Rechtsgeschichte schrieb als so mancher Behördenjurist in einem Jahrzehnt.
Und dann ist da Staatsanwalt P., Zweierkandidat mit Ambition, heute Hüter des Volkswohls. Vormittags überprüft er Facebook-Kommentare, nachmittags archiviert er PDFs. Dazwischen kämpft er tapfer gegen „digitale Hetze“ und hofft auf eine Beförderung zur Gruppenleitung.
Oder Frau O., die „mit Leidenschaft für Gerechtigkeit“ arbeitet – und mit Vorliebe gegen Ironie ermittelt. Ihre Erfolgsbilanz: drei Durchsuchungen, ein beschlagnahmtes Handy, null Nachdenken.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Idealisten, die wirklich an Recht und Maß glauben. Man erkennt sie daran, dass sie befördert – oder innerlich längst ausgewandert sind.
Der Rest hält die Ordnung aufrecht: korrekt, still, zuverlässig. Kein Ruhm, kein Risiko, aber ein sicherer Pensionsanspruch. Vielleicht ist genau das die stille Größe der Staatsanwaltschaft – sie glänzt nie, aber sie blendet auch nicht. Und wer das Denken meidet, bleibt zuverlässig auf Linie.
