Deutschland, das Land der Digitalvisionäre – leider nur in PowerPoint

Deutschland, das Land der Digitalvisionäre – leider nur in PowerPoint

In Amerika bauen sie Raketen, kolonisieren den Mars, erfinden neue Währungen und erschaffen künstliche Intelligenzen, die ganze Industrien umkrempeln. In Deutschland gründen sie eine „Kommission für digitale Transformation“, die sich zweimal im Jahr trifft, um ein 400-seitiges Papier zu verabschieden, das niemand liest und niemand umsetzt.

Dort heißen die Architekten der Zukunft Elon Musk, Mark Zuckerberg, Larry Page, Larry Ellison, Alex Karp oder Peter Thiel – Männer, die Ideen in Imperien verwandeln. Hier heißen sie Philipp Amthor, Sascha Lobo und – Trommelwirbel – die Samwer-Brüder, die aus der simplen Kunst des Abschreibens ein Geschäftsmodell gemacht haben.

Musk baut wiederverwendbare Raketen und Autos, die über Software lernen. Amthor schreibt Reden über „die Chancen der Blockchain“, ohne sie zu verstehen. Zuckerberg vernetzt Milliarden Menschen, Lobo erklärt in Kolumnen, warum „Digitalisierung“ ein gesellschaftliches Projekt sei – und veröffentlicht sie als PDF. Larry Page lässt KI Krebszellen diagnostizieren, und in Berlin gründet man eine „Agentur für Sprunginnovationen“, deren größte Sprungleistung darin besteht, irgendwann vielleicht eine Website online zu bringen.

Und die Samwers? Die sind die IKEA-Version von Innovation: Sie kopieren erfolgreich funktionierende Ideen aus den USA, schrauben sie mit Inbusschlüssel zusammen, und wenn’s auseinanderfällt, war’s halt ein „Exit“.

Doch das wirklich Tragische: Die wenigen echten, global relevanten deutschen Digitalunternehmen haben sich längst innerlich verabschiedet. SAP – der letzte verbliebene Technologie-Gigant Europas – hat Deutschland schon vor Jahren den Rücken gekehrt, zumindest geistig. In Walldorf steht zwar noch das Logo, aber strategisch findet die Zukunft längst in Palo Alto, Tel Aviv und Singapur statt. Warum? Weil dort Talente nicht im Bürokratiesumpf ersticken. Weil dort Innovation nicht durch DSGVO, Kartellamt, Betriebsrat und Klimacheck geschleust werden muss. Und weil dort kein Minister mit Tablet und 90er-Jahre-Krawatte über „Digital Leadership“ referiert, während sein Faxgerät im Hintergrund rattert.

In Deutschland ist Digitalisierung kein Prozess, sondern eine Pose. Eine rhetorische Selbstbefriedigungsschleife aus Strategiepapierschlachten, Thinktank-Kaffeekränzchen und PowerPoint-Schlachten. Statt Start-ups entstehen Start-ups – kleine Luftblasen, die beim ersten Kontakt mit echter Konkurrenz platzen. Statt „Moonshots“ gibt’s „Modellprojekte“. Statt Wagniskapital: Fördermittel.

Philipp Amthor ist dabei der Posterboy einer Politikergeneration, die nie ein Produkt gebaut, nie ein Unternehmen gegründet, aber immer eine Meinung zur „digitalen Zukunft“ hat. Sascha Lobo ist der selbsternannte Digitalprophet, der die Welt erklärt, ohne sie je gebaut zu haben. Und die Samwers? Sie sind das Resultat einer Nation, die Copy-Paste mit Unternehmertum verwechselt.

Während im Silicon Valley Zukunft geschmiedet wird, feiert man in Berlin das „Blockchain-Lab“ einer Landesbank als Weltrevolution, weil es eine Excel-Tabelle mit Passwortschutz ist. Während Peter Thiel über die nächste Evolutionsstufe von Kapitalismus und Freiheit nachdenkt, beantragt hierzulande ein „Digital Hub“ erstmal WLAN.

Kurzum: Deutschland will „digitaler Weltmarktführer“ sein – aber es schickt Kasperlefiguren ins Rennen, die in Kalifornien nicht mal für ein Bewerbungsgespräch eingeladen würden. Und während hierzulande ein Ministerium nach dem anderen eine „Strategie 2030“ ausrollt, ist der Rest der Welt längst im Jahr 2050 angekommen.

🤡 Fazit: Die Zukunft fährt Hyperloop – Deutschland wartet noch auf den Planfeststellungsbeschluss für die Pferdekutsche.

christophvongamm

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Dr. Christoph von Gamm ist ein Unternehmer, Investor und Business Angel, der sich an der Schnittstelle von Wirtschaft, Kultur und Technologie engagiert. Er ist CEO und Managing Partner von Cybertrue Capital Partners, einer Firma, die sich mit Investitionen und Deals beschäftigt. Zudem ist er CEO von vonGammCom Global, wo er Beratungs- und Executive-Search-Dienstleistungen im Bereich IT-Outsourcing, große Verträge, Vertriebsführung und umfassende Transformationen anbietet. Seine berufliche Laufbahn umfasst über 20 Jahre globale und pan-europäische Erfahrung, darunter Führungspositionen bei Capgemini Suisse S.A. (2008–2012) und IBM Corporation (1995–2008). Er hat sich als strategisch denkender Führungskraft mit Erfolg bei der Performanceverbesserung großer Organisationen, der Gründung neuer Funktionen und der Pionierarbeit bei globalen Outsourcing-Initiativen etabliert. Sein Schwerpunkt liegt auf der Wertsteigerung durch digitale Transformation und der Nutzung dieser Veränderungen für seine Kunden. Er verfügt über akademische Qualifikationen, darunter einen Doktortitel (Dr. phil.) in interkultureller Wirtschaftswissenschaft von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), einen Diplom-Ingenieur (Dipl.-Ing.) in Elektrotechnik und Informationstechnik von der TU München sowie ein MBA von der Open University Business School, einen Master of Sales Management von der Portsmouth University, sowie Absolvent des Client Executive Programs der INSEAD Fontainebleau.
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