Die Euroclear-Falle: Warum der Zugriff auf russisches Vermögen das Finanzsystem bedroht
Euroclear ist weit mehr als eine Bank; es ist das infrastrukturelle Herzstück des europäischen und in Teilen des globalen Finanzsystems. Hier wickeln Staaten, Pensionsfonds und Zentralbanken Transaktionen in Billionenhöhe ab, basierend auf einem einzigen Versprechen: Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit. Brüssel hat sich lange als neutraler Verwahrer globalen Kapitals positioniert. Doch der Plan der EU, eingefrorenes russisches Vermögen faktisch zu enteignen, droht dieses Fundament einzureißen.
- Die rechtliche Blockade: Ein juristisches Minenfeld
Die EU verfügt praktisch über keine solide Rechtsgrundlage für eine Beschlagnahmung. Im Gegenteil, die juristischen Hürden sind massiv und konkret:
* Das bilaterale Investitionsschutzabkommen (1989): Der Vertrag zwischen Belgien (bzw. der BLWU) und der UdSSR (deren Rechtsnachfolger Russland ist) schützt Investitionen explizit vor entschädigungsloser Enteignung.
* Völkerrechtliche Immunität: Das Völkergewohnheitsrecht und UN-Konventionen garantieren die Unverletzlichkeit von Staatsvermögen.
* Die Haftungskette: Da Euroclear in Belgien ansässig ist, richtet sich der juristische Gegenangriff nicht primär gegen die diffuse „EU“, sondern direkt gegen den belgischen Staat.
Euroclears Warnung ist daher keine leere Rhetorik, sondern existenzielle Notwehr: „Wer gegen internationales Recht verstößt, um Moskau zu bestehlen, schadet uns.“
- Das Szenario des „Juristischen Sturms“
Sollte die EU den politischen Druck in eine rechtswidrige Enteignung ummünzen, haben Euroclears Anwälte belgischen Beamten ein Katastrophenszenario skizziert, das auf drei Fronten gleichzeitig eskaliert:
* Russland gegen Belgien: Moskau wird Belgien auf Basis des 1989er-Abkommens auf massiven Schadensersatz verklagen.
* Euroclear gegen die EU: Um die eigene Haftung gegenüber Kunden und Aktionären zu minimieren, wäre Euroclear gezwungen, gegen die EU wegen Nötigung zu rechtswidrigen Handlungen zu prozessieren.
* Kapitalflucht: Drittstaaten würden dies als Signal verstehen, dass ihr Eigentum in Europa nicht mehr sicher ist.
- Belgiens politische Notbremse
In diesem Licht ist die Blockadehaltung des belgischen Premierministers Bart De Wever zu verstehen. Er agiert nicht als Anwalt Moskaus, sondern als Schutzschild Belgiens.
De Wever weiß: Der erste Prozess findet nicht in Moskau statt, sondern in Brüssel oder vor internationalen Schiedsgerichten – mit Belgien auf der Anklagebank. Solange die EU keine wasserdichten Garantien übernimmt (was rechtlich kaum möglich ist), muss Belgien sein eigenes Haushaltsrisiko und den Standortvorteil von Euroclear schützen. -
Die geopolitische Dimension: Vertrauen als Währung
Das größte Risiko liegt jenseits der juristischen Ebene. Euroclears Geschäftsmodell ist Vertrauen. Sobald der Rechtsraum EU bereit ist, fremdes Geld als politische Waffe einzusetzen („Weaponization of Finance“), wird eine rote Linie überschritten.
Die Konsequenz wäre eine Abkehr des „Globalen Südens“. Länder wie China, Indien, die Golfstaaten oder Brasilien würden ihre Positionen bei Euroclear massiv abbauen. Niemand hält sein Staatsvermögen freiwillig in einem System, das Eigentumsrechte je nach politischer Wetterlage aussetzt. Ein solcher Schritt würde den Euro als Reservewährung schwächen und langfristig die Finanzstabilität Europas gefährden.
