Die dunkle Seite der „Engel in Weiß“

Wer kennt sie nicht: die grundgute Krankenschwester, die fürsorgliche Altenpflegerin, der empathische Sanitäter – allesamt aufopferungsvolle Helfer, die nur das Wohl anderer im Sinn haben. So will es zumindest das gesellschaftliche Ideal. Doch die Forschung zeigt: Hinter der Fassade der Selbstlosigkeit kann sich mitunter etwas ganz anderes verbergen.
Eine aktuelle Studie (2022) untersuchte die sogenannte „Dunkle Triade“ – Machiavellismus, subklinischer Narzissmus und subklinische Psychopathie – bei Menschen in helfenden Berufen und verglich sie mit der Allgemeinbevölkerung. Das Ergebnis überrascht: Helfende Fachkräfte schneiden bei Psychopathie signifikant höher ab als der Durchschnittsbürger. Besonders stark ausgeprägt ist dieser Unterschied bei Beschäftigten im Gesundheitswesen und im Rettungsdienst.
Mit anderen Worten: Gerade dort, wo man Hilfsbereitschaft, Geduld und Empathie erwartet, finden sich überproportional viele Menschen, die zu Manipulation, emotionaler Kälte und Dominanzstreben neigen.
Die Autoren fanden außerdem klare Geschlechtsunterschiede: Männer – ob in helfenden Berufen oder nicht – zeigten insgesamt höhere Werte bei den dunklen Persönlichkeitsmerkmalen. Das Bild der überempathischen „Schwester Rabiata“ ist also kein Einzelfall, sondern Ausdruck einer psychologischen Realität: Manche Menschen werden von helfenden Rollen gerade deshalb angezogen, weil sie Macht, Kontrolle und Nähe zu Schwächeren versprechen.
Natürlich gilt: Nicht jede Pflegekraft oder jeder Sanitäter ist ein verkappter Psychopath. Doch die Studie stellt den romantischen Mythos vom „helfenden Engel“ infrage. Sie zeigt, dass helfende Berufe nicht nur selbstlosen Menschen offenstehen, sondern auch solchen, die Anerkennung, Bestätigung oder schlicht Kontrolle über Abhängige suchen.
Die Ergebnisse sind vorläufig, aber sie stützen eine unbequeme Wahrheit:
Das Helfersyndrom hat eine Schattenseite – und manchmal sitzt hinter dem freundlichen Lächeln nicht nur Mitgefühl, sondern auch ein Quäntchen Machtlust.
Zur Forschung selbst:
Helfende Fachkräfte weisen trotz ihrer unterstützenden Funktion eine Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen auf, darunter auch maladaptive Merkmale, die als „Dunkle Triade“ bekannt sind: Machiavellismus, subklinischer Narzissmus und subklinische Psychopathie.
Eine Studie, die helfende Fachkräfte mit der Allgemeinbevölkerung verglich, ergab, dass helfende Fachkräfte bei Psychopathie signifikant höhere Werte aufwiesen als die Allgemeinbevölkerung.
Dieser Unterschied war besonders ausgeprägt bei Beschäftigten im Gesundheitswesen und im Rettungsdienst, die bei Psychopathie signifikant höhere Werte aufwiesen als die Allgemeinbevölkerung.
Die Studie identifizierte auch geschlechtsspezifische Unterschiede: Männer sowohl in den helfenden Berufen als auch in der Allgemeinbevölkerung schnitten bei Merkmalen der Dunklen Triade insgesamt besser ab.
Die Forschung legt nahe, dass selbst in Berufen, von denen Selbstlosigkeit und prosoziales Verhalten erwartet werden, manche Menschen von der Macht und Kontrolle angezogen werden, die mit helfenden Rollen verbunden sind, möglicherweise aus egoistischen oder selbstsüchtigen Gründen.
Obwohl die Studie die Auswirkungen von Alter und Geschlecht berücksichtigte, stellte sie fest, dass der Einfluss des Alters auf die Dunkle Triade in helfenden Berufen nicht im Vordergrund stand. Die Ergebnisse gelten aufgrund mehrerer Einschränkungen als vorläufig.
Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass die Merkmale der Dunklen Triade nicht nur auf nicht-helfende Berufe beschränkt sind, sondern auch bei Menschen vorhanden sein können, deren Arbeit die Unterstützung anderer beinhaltet.

christophvongamm

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Dr. Christoph von Gamm ist ein Unternehmer, Investor und Business Angel, der sich an der Schnittstelle von Wirtschaft, Kultur und Technologie engagiert. Er ist CEO und Managing Partner von Cybertrue Capital Partners, einer Firma, die sich mit Investitionen und Deals beschäftigt. Zudem ist er CEO von vonGammCom Global, wo er Beratungs- und Executive-Search-Dienstleistungen im Bereich IT-Outsourcing, große Verträge, Vertriebsführung und umfassende Transformationen anbietet. Seine berufliche Laufbahn umfasst über 20 Jahre globale und pan-europäische Erfahrung, darunter Führungspositionen bei Capgemini Suisse S.A. (2008–2012) und IBM Corporation (1995–2008). Er hat sich als strategisch denkender Führungskraft mit Erfolg bei der Performanceverbesserung großer Organisationen, der Gründung neuer Funktionen und der Pionierarbeit bei globalen Outsourcing-Initiativen etabliert. Sein Schwerpunkt liegt auf der Wertsteigerung durch digitale Transformation und der Nutzung dieser Veränderungen für seine Kunden. Er verfügt über akademische Qualifikationen, darunter einen Doktortitel (Dr. phil.) in interkultureller Wirtschaftswissenschaft von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), einen Diplom-Ingenieur (Dipl.-Ing.) in Elektrotechnik und Informationstechnik von der TU München sowie ein MBA von der Open University Business School, einen Master of Sales Management von der Portsmouth University, sowie Absolvent des Client Executive Programs der INSEAD Fontainebleau.
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